S Vormensch Australopithecus lebte noch primär vegetarisch – wissenschaftszeitung.de

Vormensch Australopithecus lebte noch primär vegetarisch

Die Jagd auf Tiere und der Genuss von Fleisch gelten als wichtige Triebkräfte der menschlichen Evolution und als mögliche Ursache für unser großes Gehirn. Doch bisher ist unklar, wann unsere Vorfahren ihren Speiseplan um regelmäßigen Fleischkonsum ergänzten. Jetzt liefert der Zahnschmelz von sieben Vertretern des vor rund drei Millionen Jahren lebenden Vormenschen Australopithecus aus Südafrika neue Hinweise. Die im Zahnschmelz konservierten Stickstoffisotope verraten demnach, dass diese Vormenschen Vegetarier waren – ähnlich wie noch heute die Menschenaffen. Fleisch stand dagegen nicht oder nur sehr selten auf ihrem Speiseplan.Die meisten Affen und Menschenaffen ernähren sich vorwiegend pflanzlich. Zwar machen beispielsweise Paviane und Schimpansen ab und zu auch Jagd auf Tiere, aber deren Fleisch ist eher ein seltenes Festmahl als ein fester Teil ihres Speiseplans. Anders ist dies bei uns Menschen: Unsere Vorfahren lebten als Jäger und Sammler, wie es manche Naturvölker heute noch praktizieren. Dieser Übergang zum Fleischverzehr gilt als eine entscheidende Wende in der menschlichen Evolution. Weil Fleisch mehr Kalorien, Proteine und Nährstoffe liefert als pflanzliche Kost, könnte diese Ernährungsumstellung erklären, warum die Vor- und Frühmenschen begannen, ein im Verhältnis zu ihren Primatenverwandten immer größeres Gehirn zu entwickeln. Wegen der höheren Energiedichte von Fleisch mussten unsere Vorfahren zudem weniger Zeit aufs Nahrungssammeln und Essen verwenden – das verschaffte ihnen mehr Zeit, um Werkzeuge zu entwickeln und voneinander zu lernen.Wann begannen unsere Vorfahren mit dem Fleischessen?Doch bisher ist unklar, welche unserer Vorfahren als erste damit begannen, regelmäßig Fleisch zu essen. “Steinwerkzeuge und Zeugnisse von Tierschlachtungen wie Schnittspuren an Knochen, liefern Indizien für regelmäßigen Verzehr von Fleisch und Knochenmark vor rund zwei Millionen Jahren”, berichten Tina Lüdecke vom Max-Planck-Institut für Chemie in Mainz und ihre Kollegen. Das legt nahe, dass die Frühmenschen der Gattung Homo bereits Jäger und Sammler waren. Allerdings fehlen direkte Belege dafür. Noch dünner war die Datenlage für Vormenschen wie die Australopithecinen, die schon vor mehr als drei Millionen Jahre im südlichen und östlichen Afrika lebten. Auch von einigen dieser Homininen gibt es Funde von Steinwerkzeugen “Aber ob die Australopithecinen diese Werkzeuge gezielt herstellten, um damit Tiere zu jagen und zu zerlegen, ist strittig”, erklären die Forschenden. Einer der Gründe dafür ist, dass die Analyse der Stickstoffisotope, der wichtigsten Methode für die Bestimmung der Ernährungsweise bei fossilen Lebewesen, bisher nicht bei so alten Relikten funktionierte. Dabei verrät das Verhältnis des schwereren Stickstoffisotops 15N zur leichteren Variante 14N, ob ein Tier Pflanzen- oder Fleischfresser ist und wie weit oben es in der Nahrungskette steht. Je höher der Anteil von Stickstoff-15 in den Geweben eines Tieres ist, desto höher steht es in der Nahrungskette.Doch das für diese Isotopenanalysen notwendige organische Material in Knochen, Haaren, Krallen oder den Zahnwurzeln bleibt in der Regel nur wenige zehntausend Jahre lang gut genug erhalten. Daher ließ sich diese Methode bisher nicht bei Millionen Jahre alten Homininenfossilien anwenden. Lüdecke und ihr Team haben jedoch ein Verfahren entwickelt, mit dem sie das Stickstoffisotopenverhältnis auch in solchen Relikten bestimmen können. Neu daran ist, dass die Forschenden nicht Knochen oder andere leicht degradierende Materialien untersuchen, sondern den Zahnschmelz. Er besteht vorwiegend aus mineralischen, anorganischen Verbindungen und ist daher sehr haltbar. “Aber eine geringe Menge an organischem Material ist zwischen und in diesen dicht gepackten Kristalliten eingeschlossen und dadurch geschützt”, erklärt das Team. Dank besonders hochauflösender, sensitiver Analysetechniken, die es bisher nur zweimal auf der Welt gibt – am MPI in Mainz und an der Princeton University in den USA – konnten Lüdecke und ihr Team nun erstmals die Ernährungsweise von Vormenschen isotopisch bestimmen, die vor 3,7 bis 3,3 Millionen Jahren lebten.Speiseplan des Australopithecus ähnelte dem von MenschenaffenFür ihre Studie analysierten Lüdecke und ihre Kollegen Zahnschmelzproben von sieben Vertretern des Australopithecus aus der Sterkfontein-Höhle nahe Johannesburg. Diese Fossilienfundstätte in Südafrika gilt als eine der „Wiegen der Menschheit”. Das Team ermittelte die Stickstoff-Isotopenwerte für die Vormenschen und verglichen sie mit Proben von Pflanzenfressern wie Antilopen und Affen, aber auch Fleischfressern wie Hyänen, Schakalen und Großkatzen. Die Auswertungen zeigten relativ große Übereinstimmungen der Stickstoffwerte aus den Australopithecinen-Zähnen mit denen der Pflanzenfresserproben, aber signifikante Unterschiede zu den Werten der Fleischfresser. “Es gibt nahezu keine Überlappungen zwischen den beiden. Damit deuten die Daten auf eine Ernährung ohne substanzielle Anteile von Fleisch für diese frühen Homininen hin”, schreiben Lüdecke und ihr Team. Der Australopithecus war demnach primär Vegetarier, auch wenn der gelegentliche Verzehr tierischer Eiweißquellen wie Eiern oder Termiten nicht vollständig auszuschließen sei.Die neuen Ergebnisse legen damit nahe, dass sich die Australopithecinen in Bezug auf ihren Speiseplan noch kaum von ihren äffischen Vorfahren und Zeitgenossen unterschieden. Auch sie ernährten sich vorwiegend von Früchten, Nüssen, Blättern und anderen pflanzlichen Produkten. Allerdings zeigten die Vormenschen aus der Sterkfontein-Höhle eine größere individuelle Bandbreite der Isotopenwerte als Affen, Antilopen und andere reine Pflanzenfresser. Nach Ansicht der Forschenden könnte dies darauf hindeuten, dass einige dieser Vormenschen in seltenen Fällen auch Fleisch verzehrten – ähnlich es heute noch Schimpansen tun. “Angesichts der Tatsache, dass unsere nächsten Verwandten unter den Primaten tierische Ressourcen in dieser Weise nutzen, wäre es logisch anzunehmen, dass auch unsere frühen Vorfahren sich ähnlich verhielten”, konstatieren Lüdecke und ihre Kollegen. Für die Zukunft planen sie, ihr Analyseverfahren weiterzuentwickeln und Proben auch von jüngeren und älteren Menschenarten aus Afrika oder Südostasien zu untersuchen. Das Ziel: Herausfinden, wann Fleisch auf den Speiseplan unserer Vormenschen kam, wie sich dieser Verzehr entwickelte und ob es dadurch tatsächlich einen evolutionären Vorteil gab.Facebook
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